
┌ Persönliches Logbuch – Eintrag 08
├ Datum: 23. Mai 2952
└ Ort: Avenger Titan, Nähe Rappel-Außenposten, Hurston
Die Titan und ich – wir machen Fortschritte.
Langsam, aber spürbar. Die Systeme reagieren direkter, die Diagnose zeigt weniger Fehler – zumindest weniger kritische. Heute habe ich mich an die inneren Leitungen der Manöverdüsen gewagt. Keine der Arbeiten, für die man einen Lehrpreis bekommt – aber ein notwendiger Schritt, wenn ich hier jemals abheben will.
Ich habe die Verkleidung der hinteren Sektion geöffnet. Sand, metallischer Staub, ein Stück verbrannter Isoliermantel. Alles roch nach alter Hitze. Ich musste zwei Module fast vollständig entnehmen – eines hatte sich durch Überhitzung verzogen, das andere war... leer. Als wäre die Energie selbst aus ihm geflüchtet. Kein Wunder, dass die Triebwerkskalibrierung bei jedem Startversuch abbricht.
Mit dem Multitool konnte ich zumindest die Verbindungsknoten reinigen und den sekundären Kühlpfad überbrücken. Keine schöne Lösung, aber sie sollte für einen Erststart reichen – wenn das Haupttriebwerk jemals wieder genug Schub liefert.
Noch bevor ich das Panel wieder verschließen konnte, schaltete sich das interne Log automatisch ein. Ich hatte keine Eingabe gemacht. Kein Sprachbefehl. Kein physischer Trigger. Ein Audiofragment, wie schon beim letzten Mal.
Zitat von Boardarchiv„Wenn du das hier hörst... dann fliegt sie wieder, oder? Hoffentlich. Ich hab den Rest nie fertig gemacht. Hab gedacht... ich komm zurück. Aber manchmal holt dich das Verse woanders ab.“
Die Stimme war dieselbe. Ruhiger, resignierter.
Ich ließ das Multitool auf dem Modul liegen und hörte zu – aber mehr kam nicht. Nur dieses eine Fragment.
Ich hab keine Ahnung, wer dieser Mensch war. Aber irgendetwas in seinen Worten... fühlt sich an wie ein Echo. Als wäre sein Ziel irgendwie auch meines.
Ich habe begonnen, die Archive systematisch zu entschlüsseln – aber viele Segmente sind fragmentiert, als hätte jemand versucht, sie absichtlich zu löschen, nur eben unvollständig.
Ein interessantes Detail: Die Metadaten einiger Fragmente enthalten Sternenpositionsdaten. Keine gängigen Koordinaten, sondern manuell codierte Navigationswerte. Ich konnte eines davon decodieren – ein Ort im Stanton-System, nahe einer alten Bergbaugrenze, außerhalb regulärer Handelsrouten. Keine bekannten Stationen, keine Missionsdatenbanken. Aber es gibt dort eine alte orbital verzeichnete Kennung: „Capital-Class – inaktiv“.
Könnte ein Fehler sein. Oder ein Hinweis.
Ich speichere das für später.
Zurück zur Realität: Die Energieverteilung der Titan ist nach wie vor instabil. Die Zelleneinheit liefert solide Grundspannung, aber bei höherer Last kollabiert der Regelkreis im Segment G-4.
Ich habe testweise den Kühlmodul-Takt umgestellt – mehr als 4,2 Hz verkraftet die alte Struktur nicht. Jeder Versuch darüber hinaus erzeugt thermische Rückkopplung – und ich brauche keine weitere Explosion. Nicht nach dem, was damals in Hangar 12 passiert ist.
(Nein, ich rede nicht darüber. Noch nicht.)
Trotz allem: Der Schubregler im Cockpit hat heute zum ersten Mal reagiert. Nur für einen Moment – eine halbe Sekunde – aber die Rückmeldung war eindeutig. Das System erkennt die Eingabe, verarbeitet sie, will sie weitergeben. Als würde das Schiff selbst begreifen: „Ich bin noch nicht fertig.“
Und das bin ich auch nicht. Aber ich spüre, dass ich bald eine Entscheidung treffen muss.
Lorville wäre logisch – dort könnte ich Material tauschen, das Schiff offiziell registrieren lassen, vielleicht sogar einen Job finden. Aber irgendetwas an der Stadt stößt mich ab. Sie riecht nach Kompromiss. Nach Kontrolle. Und nach alten Schulden.
Die Derelict Sites dagegen... sie flüstern. In ihrem Verfall steckt Geschichte, in ihren Schatten vielleicht Antworten. Es heißt, manchmal findet man dort nicht nur Ausrüstung, sondern Erinnerungen. Und wer weiß – vielleicht finde ich dort etwas, das mir gehört, ohne dass ich wusste, es verloren zu haben.
Noch ein Gedanke beschäftigt mich: Sollte ich Eda ein Update senden? Ich schulde ihr mehr als nur Worte. Doch irgendetwas hält mich zurück. Nicht das System – das läuft inzwischen stabil. Vielleicht bin ich es selbst. Vielleicht braucht es mehr als nur ein Lebenszeichen, um diesen Kontakt richtig zu beginnen. Manche Verbindungen brauchen Substanz – und den richtigen Moment.
Die Titan wird wieder fliegen. Nicht heute. Vielleicht nicht morgen. Aber bald.
Und wenn sie es tut – werde ich ihr folgen.
| Ende Eintrag 08