
┌ Persönliches Logbuch – Eintrag 02
├ Datum: 27. April 2952
└ Ort: Everus Harbor → Rappel-Außenposten, Hurston
Everus Harbor schläft nie – aber es fühlt sich trotzdem ständig müde an.
Die Gänge riechen nach Öl, Metall und zu vielen Entscheidungen, die nie zu Ende gedacht wurden. Ich hatte mir den Ort als Sprungbrett vorgestellt, als Knotenpunkt für neue Chancen. Stattdessen war er eine Warteschleife. Eine kalte. Eine laute.
Seit meiner Ankunft habe ich die meiste Zeit damit verbracht, Formulare auszufüllen, Transportmöglichkeiten zu prüfen und mit Mechanikern zu reden, die alles besser wissen – aber nichts sagen. Die Avenger Titan, mein „Projekt“, lag irgendwo auf Hurston. Offiziell eingelagert. Inoffiziell vergessen. Der Standort: außerhalb von Rappel, ein verlassenes Stück Landschaft, so leer wie mein Konto.
Ich hatte eine Transportmöglichkeit aufgetrieben – ein Frachterpilot, der mich für ein paar Credits mitnehmen konnte, zumindest bis zu einer alten Versorgungsplattform nördlich von Rappel. Von dort aus würde ich zu Fuß weiter müssen. Keine idealen Bedingungen, aber besser als nichts.
Der Flug nach unten war holprig. Hurstons Atmosphäre ist zäh, voller Partikel und Asche. Als wir die Oberfläche durchbrachen, sah ich ihn: meinen neuen Horizont. Grau. Trostlos. Endlos.
Der Pilot ließ mich einige Kilometer vor dem alten Außenposten raus. „Das ist nah genug“, meinte er und schloss die Laderampe, bevor ich überhaupt ganz draußen war. Ich stand allein da – mit einem Rucksack vollgepackt mit Wasser und trocken Mahlzeiten, einem alten Datapad und einer Koordinatenangabe.
Der Weg zur Titan war … still.
Keine Tiere, kein Wind. Nur der ferne, vibrierende Ton einer Kommunikationsantenne von Rappel, die ab und zu in mein Comlink rauschte. Ich ging über ausgetrocknete Böden, vorbei an verwitterten Felsformationen und vergessenen Maschinenfragmenten, Überbleibsel älterer Expeditionen. Hin und wieder fragte ich mich, ob es das wirklich wert war.
Und dann sah ich sie.
Verwildert. Verstaubt. Aber aufrecht. Meine Avenger Titan stand da, als hätte sie auf mich gewartet. Der Lack war abgeplatzt, die Triebwerke voller Sand, und das Cockpit sah aus, als hätte ein Bagger darin Mittagspause gemacht. Aber sie war da. Und sie war mein.
Ich umrundete sie langsam, berührte die Außenhülle. Die Struktur wirkte stabil – erstaunlich stabil sogar. Vielleicht war das der erste Moment, seit langer Zeit, in dem ich wirklich Hoffnung spürte.
Im Inneren roch es nach Öl, Dichtmasse und alten Erinnerungen. Ich setzte mich in den Pilotensitz, atmete tief durch – und öffnete das Bordlog.
Boardlog
├ Systemstart: Fehlgeschlagen
├ Energieversorgung: Kritisch
├ Triebwerke: Offline
└ Lebenserhaltung: Minimal
Na dann.
Willkommen zu Hause.
Ich werde die nächsten Tage hier verbringen. Vielleicht Wochen. Schritt für Schritt. Reparatur für Reparatur.
Sie muss nicht fliegen – noch nicht. Aber sie muss leben. So wie ich.
| Ende Eintrag 02